Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  20

© Alf Glocker

Zuhause ging alles wieder seinen gewohnten Gang: Als ich erzählte was mit uns geschehen war wurde ich ausgelacht. „Das darf man nicht so ernst nehmen“, motzte Schlaudia und Dingsbums bestätigte sie noch in der Annahme, daß Trolle eben verrückt sind und gerne übertreiben, indem sie das Erlebnis als harmlos hinstellte und meinte: „Naja, ein bisschen Wind hatte es schon, aber das ist eben in dieser Gegend von Zeit zu Zeit zu erwarten und ganz normal“. Zum Glück für mich wartete Schmarrtina Vettele bereits wieder mit einem neuen Projekt auf, bei dem ich ihr „helfen“ sollte: Es handelte sich um eine Familienchronik in der ich aufschreiben sollte wie die Vetteles einst aus der Hölle in die Oberwelt gekrochen waren, wie sie zuerst mit dem Teufel auf dem Blocksberg gefeiert und sich offiziell schließlich zu Engeln gemausert hatten, die gut in der Lage waren irdische Reichtümer anzuhäufen.

Gleichzeitig entließ die Hölle ein neues Geschöpf des Grauens mit dem Verstand einer Schlange und dem Aussehen einer Sirene, die wohl wusste wie man zur Femme fatal werden kann. Es hieß Elidana und hatte sich über meinen Herrenclub in meine Nähe geschlichen. Sirenen haben eine Blick für Trolle! Wenn sie einen sehen möchten sie ihn umgehend umerziehen, ausbeuten, für ihre Zwecke verwenden...zuerst aber müssen sie ihn verhexen. Gehört hatte sie von mir, dem auffällig seltsamen Wesen, von ihrer neuesten Liebschaft, einem der „Herren“ – und natürlich vom finanziell Vielversprechendsten. Es handelte sich um Zwerg Hansi, den großen Schnarcher vom, Zwergenhaus am Gardasee. Er war leicht um den Finger zu wickeln, denn er verlor bereits seinen zwergenhaften Verstand, wenn er auch nur weibliches Menschenfleisch roch. Zwischen Sirene und normaler Frau konnte er nicht unterscheiden.

Aber er hatte ebenso viel Mannesstolz wie er wenig Verstand besaß und so merkte er relativ schnell, daß Elidana Besonderes mit ihm vorhatte und sie zerstritten sich so blitzartig wie sie miteinander ins Bett gegangen waren. Doch die Sirene konnte sich auf ihre spitzen Ohren verlassen. Bei einem ihrer Besuche im Herrenclub hatte sie zwangsläufig erfahren, daß da ein Troll die Geschichte einer Vettel-Familie zu Papier bringen sollte. Selbstverständlich hatte sie sich auch gleich einen Auszug daraus vorlesen lassen. In dem beschrieb ich, daß die Vetteles früher eifrige Rosstäuscher gewesen waren, die sich mit der Zeit von Kriechtieren zu aufrecht gehenden Untoten gemausert hatten, zu Leuten also, die mit List, aber völlig tückenlos Besitz um Besitz erwarben und irgendwann dann endlich zu Herren ausgedehnter Ländereien wurden, die sie an brave Duckmäuser vermieteten um von der Ernte anderer zu leben. Das gefiel Elidana ausgezeichnet, denn darin spiegelte sich ein wenig ihre eigene Lebensanschauung.

Immer öfter tauchte sie in meinem drolligen Umfeld auf, gesellte sich zu Schmarri, zu Dinsgbums, ohne wirklich durchschaut zu werden. Nur Schlaudia erkannte ihre Seele mit der negativ geladenen Ausstrahlung sofort und auch Nanana nahm einen Sicherheitsabstand, wenn die Sirene auftauchte. Ich selbst, der Troll, schätzte sie auf Anhieb völlig richtig ein und versuchte mir ihre Fähigkeiten nutzbar zu machen! Daß das Dingsbums leider nicht gefiel durfte mich nicht stören, versuchte ich meinen zu müssen, denn der Weg zum Erfolg ist bisweilen mit Stolpersteinen gepflastert, die, wenn man sie sorgsam aneinanderlegt auch eine Straße ergeben können.
Dingsbums geriet zuerst in Alarmstimmung und dann in die Fänge der sirenenhaften Schlange, die sich nicht scheute auch eine Frau für ihre Ziele einzusetzen. Wie sie das anstellte verblüffte mich völlig, entzückte mich aber auch irgendwie, denn ihre Absichten waren durchaus erotisch zu nennen! Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Damit leitete sie eine ganze Reihe unglaublicher Zauberspiele ein, die von den verschiedensten Frauen an mich herangetragen wurden...ich begann eingebildet zu werden! Ich dachte ich könne alle haben und deshalb nahm ich keine! Sie waren mir, samt und sonderbarst, viel zu gefährlich. Aber gestalterisch ließen sich manche wunderbar aufstellen und künstlerisch „weiter verarbeiten“. Ob Trolle Gefühlswesen sind weiß ich nicht und möchte ich auch nicht beurteilen. Ob Sirenen, Frauen und sonstige Hexen Gefühle haben, die über das pragmatische Denken hinausgehen kann ich ebenfalls nicht beurteilen. Sie sagen alle „Ja“, aber was sie damit meinen lässt sich meines Erachtens nicht einwandfrei feststellen. Vielleicht verstehen Trolle ja auch grundsätzlich nicht was in der Natur so vor sich geht. Sie kapieren nicht warum man das Leben in dieser Weise genießen soll: Erst sich zwanglos völlig gehen lassen, weil es die Liebe so will und dann ein Leben lang dafür grade stehen, weil Mann sonst ein Wasweißich ist. Aber ich glaube in dieser Hinsicht haben viele Männer etwas von Trollen.

Troll jedoch hin, Sirene hin und her und persönliche Vorlieben, sowie Praktiken überhaupt – mich überrannten wieder einmal die Ereignisse, denn ich wusste nicht daß Sirenen, zumindest „meine“ Sirene auch auf Frauen stand. Äußerlich konnte sich Elidana richtig gut sehen lassen. Daraus was zu machen konnte für sie nicht schwierig sein. Wie einfach es war durfte ich bald erleben, nachdem sich Elidana angeboten hatte als Zaubermotiv für Zauberbilder zu posen. Mein Atelier stand weit offen! Sie trat ein und brachte Glück herein! Dieses Glück betraf jedoch mich nur in künstlerischer Hinsicht. Trotzdem war ich verzaubert, als die Sirene „wie Gott sie schuf“ den Raum mit ihrem Licht erhellte und nach Dingsbums griff. Elidana hatte wirklich alles im Griff – mehr als ich damals beurteilen konnte, denn bald nudelte sie Dingsbums nach allen Regeln der Zauberkunst hoch versiert durch, worauf Dingsbums ergriffen zu singen anhob.

Ihr Gesang ließ die Luft im Atelier zittern und meine Nerven mit. Wusste ich doch nicht was danach kommen sollte, wenn Elidana wieder nach Hause gegangen war. Doch ihr Gesang verblasste gegen den Gesang der Sirene! Der kam anschließend – und er war dermaßen fulminant, daß mir Hören und Sehen verging. Und wäre ich nicht, wie Odysseus an den „Schiffsmast“, an die Vernunft gebunden gewesen, ich hätte alles von mir geworfen um die Verursacherin dieser göttlichen Töne zu erreichen um ihr zu zeigen, daß auch ich ein paar Paar-Tricks auf Lager hatte. Natürlich hätte ich sie nicht verschwinden lassen, nein, ich hätte UNS verschwinden lassen unter dem Schleier eines gnädigen Schicksals das angeblich Leute beschützt ,die aus Gründen himmlischer Leidenschaften freiwillig das Bewusstsein verlieren! Aber das blieb mir zum „Glück“ alles erspart. Die schlangenhafte, sirenengleiche Elidana hatte mir zeigen wollen was theoretisch möglich gewesen wäre...hätte ich mich bald dazu aufgerafft ihr in allen anderen Belangen, als den himmlischen, paradiesischen, zu Willen zu sein...


© Alf Glocker


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